Die Mutter schüttelt stumm den Kopf

Die Mutter schüttelt stumm den Kopf. Sie hält nicht viel von Dietei;
für den alles, was aus dem Westen kommt, drei Klassen besser ist als das
Beste aus dem Osten. Ihrer Meinung nach sind Fränkie und Dieter kein
Umgang für Rolf.
235 «Finden Sie das etwa in Ordnung?» fragt Dieter verblüfft. «Die haben
die Westberliner eingesperrt. Und uns auch. Die sperren einfach alle ein.»
« Das ist eine Schutzmaßnahme», sagt die Mutter etwas ruhiger. « Das
ist, um einen neuen Krieg zu verhindern. »
Dieter guckt, als bezweifele ei; richtig gehört zu haben.
240
(...) An der Eberswalder Straße, die am Stadion entlangführt und hinter
der Grenze zur Bernauer Straße wird, stauen sich die Menschen. Es sind
Frauen, Männer, Kinder und viele Jugendliche. Die meisten Frauen halten
Taschentücher in den Händen, schneuzen hinein, wischen sich die Augen.
2e5 Die Männer stehen nur da und gucken, keiner sagt etwas. (...)
Daggi und die Jungen gehen so dicht wie möglich an die Grenze heran
und stehen dann in der ersten Reihe der Neugierigen. Betroffen sehen sie
den Stacheldraht, der quer über die Straße gezogen worden ist und die
o bisher unsichtbare Sektorengrenze zur richtigen Grenze macht. Keinen
Meter dahinter stehen die ersten Westberllner, Ebenfalls Männer, Frauen
und Kinder. Einige Westberliner jugendliche rufen: « Ihr Schweine! Hört
doch endlich auf damit.» Sie meinen die Volkspoliziscen und die Männer
in den blauen Uniformen der Betriebskampfgruppen, die immer weitere
255 Stacheldrahtrollen über die Straße ziehen.
Eine Frau nähert sich dem Stacheldraht bis auf wenige Zentimeter und
winkt einem jungen Mann zu, der auf der anderen Seite steht und mit den
Händen in den Taschen herüberschaut. « Hans!» ruft die Frau dem jungen
z Mann zu. « Komm doch lieber wieder zurück.»
Der junge Mann schüttelt stumm den Kopf Da macht die Frau einen
weiteren Schritt vor und hebt das Bein
Ein Vopo hat das gesehen. Er nimmt seine Maschinenpistole von der
265 Schulter und schreit: «Halt! Stehenbleiben.»