Einen Augenblick lang steht Rolf st

Einen Augenblick lang steht Rolf starr dann ergreift er das Radio und
wo wirft es gegen die Wand. Es fällt zu Boden, das Plastikgehäuse bricht aus
einander. «Ich kann darauf verzichten», schreit er zurück. «Verstehst du?
Ich kann auf alles verzichten. Auch auf Vater. Auch auf dich.»
«RoU» flüstert die Mutter. «Ich will doch nur mit dir reden.»
«Aber ich nicht mit dir.» Rolf wirft sich wieder auf sein Bett und ver
birgt den Kopf unter den Armen. Er muß nun doch heulen, kann einfach
nicht anders. Was in ihm ist, muß raus, und nun kommt es raus und
schüttelt ihn so, daß er vor Schluchzen kaum Luft bekommt.
Die Mutter setzt sich zu ihm, streichelt seine Schultern und redet auf
wo ihn ein, sie sagt, daß der Vater einen Fehler gemacht hat. Sein Fortlaufen
sei eine Kurzschlußhandlung, er werde das noch mal bitter bereuen.
« Glaubst du etwa, daß er wiederkommt?»
« Nein. Selbst wenn er drüben vor Hunger verrecken würde - dein Vater
ist ein Sturkopf der nie zugibt, einen Fehler gemacht zu haben.»
Vor Hunger verrecken! Ausgerechnet im Westen! Das paßt zu Mutter.
«Junge!» bittet die Mutter. «Vertrau mir doch! Ohne Vater fertig zu
werden wird sicher nicht leicht, aber wir schaffen es. Ganz sicher schaffen
wir das.»
Es ist Sonntag. Rolf liebt es, sonntags lange im Bett zu bleiben. Nicht
o um zu schlafen, sondern um vor sich hinzudösen, nachzudenken oder zu
lesen. An diesem Sonntag aber ist er gleich wach. Er hat ja nun schon seit
fünf Wochen Ferien, kann jeden Tag ausschlafen, ist nicht mehr müde. Die
Arme unter dem Kopf verschränkt, schaut er zum Fenster hin.
Sonnenschein liegt über der Stadt, nur ein paar vereinzelte Wolken
2Oi treiben über den Himmel. Das ist gut. Dieter will kommen, um ihn abzu
holen. Sie wollen nach Weißensee raus, schwimmen. Daggi, Fränkie, Wolle
und Johnny wollen auch mitfahren.
In der Küche spielt leise Musik. Die Mutter ist also auch schon wach. Rolf
steht auf um ins Bad zu gehen. Doch die Mutter hat ihn gehört. Sie kommt
210 jfl den Flur und sieht ihn groß an. «Jetzt ist es also passiert», sagt sie.
«Was denn?»
«Sie haben die Grenze dichtgemacht.»
«Die Grenze? Welche Grenze denn?»
« Na, unsere! Die Grenze nach Westberlin. »
n> Rolf schaut die Mutter ungläubig an. «Woher weißt‘n das?»
«Aus den Nachrichten. Sie haben es angesagt ... im Osten wie im
Westen. »
Rolfsteht in der Badezimmertür, die Klinke in der Hand, aber er betritt
das Bad nicht. Dann hat der Vater also doch recht gehabt! Dann hat ihn
io seine Ahnung nicht getrogen. Zwei Tage später, und er wäre nicht mehr
rübergekommen
«Wenn du mich fragst», sagt die Mutter, «ich finde, es war höchste
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SWrmtäuentrie»aftigt Zeit dafur. Wenn ich nur an all die Grenzgänger denke, wie sie im Westei
i4isthund&moghund gearbeitet und im Osten gelebt haben. Drüben haben sie die Löhne Vopo m. tok. tor: Volkspoizist
Schutzmafleahmef. 225 gedruckt, und hier haben sie alles leergekauft.»
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An der Tür läutet es Sturm. Die Mutter geht hin und öffnet. Es ist Diet von einem halten ikke Iye . . ‚
megentiIroiiien er. «Wissen Ses schon?» geht er geich die Mutter an. «Haben Sie schon
sichstauenam.esliflko gehört, was die Misthunde gemacht haben?» betroffen bestyitet
StacheLdraht m pigtrlj « Die Misthunde? » fragt die Mutter verwirrt.
« Na, die Vopos! Alle Grenzen sind dicht. Die lassen keinen mehr rüber. »
enhedatenvrksomhodsmedarbejdere) Die Mutter schüttelt stumm den Kopf. Sie hält nicht viel von Dietei;
für den alles, was aus dem Westen kommt, drei Klassen besser ist als das
Beste aus dem Osten. Ihrer Meinung nach sind Fränkie und Dieter kein
Umgang für Rolf.
235 «Finden Sie das etwa in Ordnung?» fragt Dieter verblüfft. «Die haben
die Westberliner eingesperrt. Und uns auch. Die sperren einfach alle ein.»
« Das ist eine Schutzmaßnahme», sagt die Mutter etwas ruhiger. « Das
ist, um einen neuen Krieg zu verhindern. »
Dieter guckt, als bezweifele ei; richtig gehört zu haben.
240
(...) An der Eberswalder Straße, die am Stadion entlangführt und hinter
der Grenze zur Bernauer Straße wird, stauen sich die Menschen. Es sind
Frauen, Männer, Kinder und viele Jugendliche. Die meisten Frauen halten
Taschentücher in den Händen, schneuzen hinein, wischen sich die Augen.
2e5 Die Männer stehen nur da und gucken, keiner sagt etwas. (...)
Daggi und die Jungen gehen so dicht wie möglich an die Grenze heran
und stehen dann in der ersten Reihe der Neugierigen. Betroffen sehen sie
den Stacheldraht, der quer über die Straße gezogen worden ist und die
o bisher unsichtbare Sektorengrenze zur richtigen Grenze macht. Keinen
Meter dahinter stehen die ersten Westberllner, Ebenfalls Männer, Frauen
und Kinder. Einige Westberliner