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Die Mutter steht auf und beginnt, das Geschirr abzuräumen, aber dann
läßt sie das sein und sagt: « Gut. Reden wir darüber. Das alles zu verstehen
ist sicher nicht so leicht für dich.» Sie setzt sich wieder hin und nimmt
Rolfs Hände. «Wir mußten das tun! Denk nur mal an die Grenzgänger.
ic Und an die vielen, die jeden Tag abgehauen sind. Die offene Grenze hat
jedesJahr einen Schaden von mehr als drei Milliarden Mark verursacht.»
«Und warum wollen so viele weg?»
«Weil sie nicht kapieren, weshalb wir immer noch Schwierigkeiten
haben. Und daß diese Schwierigkeiten dadurch, daß so viele weglaufen,
ic nicht weniger werden. »
Die Mutter meint wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie behauptet, die
meisten Flüchtlinge würden nur wegen der vollen Schaufenster weglau
fen. Der Vater sagte dazu, daß das auf viele zuträfe, nicht aber auf alle.
Viele würden auch einfach nur mehr Freiheit suchen. Rolf entgegnet das,
ce und er weiß, daß er der Mutter damit einen Schock versetzt, denn nun
führt er mit ihr die Diskussionen, die sie zuvor immer mit dem Vater füh
ren mußte.
«Freiheit!» Die Mutter muß sich zusammennehmen, um nicht noch
heftiger zu reagieren. «Was heißt denn Freiheit? Zuerst geht‘s doch wohl
» mal um den Frieden. Weißt du denn nicht, daß der Westen bereits Pläne
in der Schublade hat, in denen jetzt schon steht, wie unsere Betriebe nach
der „Wiedervereinigung“ verwaltet werden sollen? Ich kann mich noch an
den letzten Krieg erinnern, der reicht mir, ich will keinen neuen. »
Frieden. Kann eine solche Grenze wirklich Frieden schaffen? Auf dem
340 Rückweg von der Bernauer Straße riß Dieter ein Plakat von der Wand. Für
Frieden und Völkerverständigung stand darauf Dieter sagte, diese Art Frie
den wolle er nicht.
«Meinst du wirklich, daß der Westen Krieg will?» fragt Rolf die Mutter.
«Das wird dann doch‘n Atomkrieg, da gehen sie doch selber drauf.»
345 «Und warum reden sie dann immer so?» fragt die Mutter zurück.
«Warum lassen sie uns nicht in Ruhe? Wieso stören sie unsere Arbeit?»
Rolf muß wieder an den Vater denken. Der Vater sagte einmal, diese
Art von Sozialismus breche den Leuten das Rückgrat. Bertolt Brecht habe
mal gesagt, die unbequemsten Mitarbeiter sollten uns die liebsten sein,
350 weil nur sie wirklichen Fortschritt brächten. Der Partei aber seien die
Bequemsten die liebsten, nämlich die, die keine Fragen stellen, sondern